Selbsthilfegruppen Betroffene als Partner
Dr.T.J. Schmal OA HNO-Abteilung B.B.Wien
Noch vor wenigen Jahrzehnten war die überwiegende Mehrzahl der Patientinnen und Patienten in der Rolle der passiv „Erduldenden“ verhaftet, während die Position des Arztes, durch unseren Exklusiv-anspruch auf Wissen definiert war.
Einhergehend mit der zunehmenden Demokratisierung und Kritikbereitschaft der Gesellschaft, des speziell in den letzten Jahren, durch die elektronischen Medien einfachen Zugangs zu medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Fachwissens und dem wachsenden Selbstbewusstsein breiter Bevölkerungsschichten, ist heute der mündige Patient keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Dies zog natürlich auch eine Änderung im Selbstverständnis der Ärzteschaft mit sich: Wir sehen uns heute als Partner des Patienten und unser Tun als Hilfestellung, angepasst an die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Wünsche der uns anvertrauten Menschen.
Diese Entwicklung war nach dem Ende des zweiten Weltkriegs auch das Fundament für die Gründung zahlreicher Gruppierungen von Betroffenen und deren Angehörigen, deren Ziel nicht nur die gegenseitige Information und Hilfestellung war, sondern auch die Stärkung der eigenen Position innerhalb der Gesellschaft und der Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber dem Gesetzgeber und den Sozialversicherungsträgern.
Die genannten Aspekte des Wirkens dieser Interessensgemeinschaften (nach innen und außen) haben die Selbsthilfegruppen heute zu einer fixen Größe innerhalb des Gesundheitssystems werden lassen.
Verein der Kehlkopflosen und Halsatmer Österreichs
Als Abteilung mit onkologischen Schwerpunkt erleben auch wir seit Jahren die positiven Effekte der Beratung unserer Patientinnen und Patienten durch die Betreuer der Selbsthilfegruppe der Kehlkopflosen und Halsatmer, deren Mitwirken im Rahmen eines ganzheitlichen, auch die psychosozialen Dimensionen unserer Patienten berücksichtigenden Behandlungskonzepts nicht hoch genug geschätzt werden kann.
Der VKÖ wurde vor beinahe 20 Jahren mit Hilfe des damaligen Wien er Neustädter HNO- Primars Dr. Pavelka ins Leben gerufen: Zu dieser Zeit bestand die Versorgung der Patienten aus Silberkanülen und primitive elektrische Sprechhilfen waren oft die einzige Rehabilitation. Edeltraud Maly, die selbst 1974 laryngektomiert wurde und ihr Mann Peter sind seit Anbeginn die Leitpersonen des Vereins, der gemeinsam mit den Landesverbänden für die Steiermark und Salzburg seit seiner Gründung 1995 insgesamt ca. 640 Personen betreut hat
Der VKÖ unterstützt seine Schützlinge nicht nur in der Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche zB auf Rehabilitation, sondern hat in zähen Verhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern auch die – eigentlich selbstverständliche – Versorgung laryngektomierter und tracheotomierter Menschen mit geeigneten Hilfsmitteln durchgesetzt. So ist es zum Beispiel der Überzeugungskraft und dem unermüdlichen Einsatz von Peter Maly, seiner Gattin und den Mitgliedern des VKÖ zu verdanken, dass seit Februar dieses Jahres geeignete Kanülensysteme für die Wassertherapie von den Krankenkassen finanziert werden.
Dadurch wird es oft erst möglich, schmerzhafte Verspannungszustände und Kontrakturen nach einer Neck-Dissection und/oder Strahlentherapie erfolgreich zu behandeln. (Bild: Wassertherapie )
Ein wesentliches Ziel des Vereins ist die Begleitung von Menschen vor und nach einer Laryngektomie: speziell geschulte Betroffene besuchen die Patientinnen und Patienten im Spital und ermöglichen nicht nur eine Beratung aus erster Hand, sondern liefern selbst das beste Beispiel, dass man auch ohne Kehlkopf erfüllt und freudvoll leben kann.
Internationale Guidelines fordern vor einer Laryngektomie, die Möglichkeit eines Kontaktes mit einer Selbsthilfegruppe und dies nicht ohne Grund: Auch eine noch so detaillierte Aufklärung durch Ärzte, Logopädie oder Pflege kann nicht das Gespräch mit einem Betroffenen ersetzen, der die selbe Situation durchlebt und erfolgreich gemeistert hat. Oder, wie es einer meiner Patienten einmal so treffendformuliert hat: „Ich glaub Ihnen das ja alles, Herr Doktor, aber es ist halt doch letztlich nicht ihr Hals.“
Kontakt zum Verein der Kehlkopflosen und Halsatmer Österreichs eV.
Bahnstraße 48/10/3
A-2345 Brunn
Tel.: +43 (0) 664 462 37 04 oder +43 (0) 664 5417873
E-Mail: info@halsatmer.at